Ostern, Corona und die Situation in Mãe Luiza und Brasilien

Die Corona-Pandemie hat die Welt weiterhin fest im Würgegriff. Spätestens seit eine Mutation des Virus von Manaus aus rasant über Brasilien hinwegfegt, ist das Land trauriger Spitzenreiter bei den Todeszahlen mit einem völlig überforderten Gesundheitssystem und einem ignoranten Präsidenten.

Es kursierten zuletzt Zahlen von 80 000 Neuinfektionen und 3000 Corona-Toten pro Tag.

Der Rest der Welt hofft, dass er sich die Manaus-Variante des Virus erst mal vom Leib halten kann. Flüge von und nach Brasilien sind ausgedünnt und teuer.

Mariane, eine Brasilianerin, die normalerweise hier wohnt und unsere Portugiesisch-Kenntnisse in Schuss hält, sitzt seit Beginn der Pandemie in ihrer alten Heimat mehr oder weniger fest, steht ihrer Mutter und Familie bei und wird wohl vor Spätsommer auch nicht wieder nach Deutschland kommen. Um Weihnachten hat sie eine Cousine durch Covid-19 verloren.

Die Lehrerinnen bleiben mit ihren Schützlingen durch Briefe in Kontakt. © Casa Crescer/CentroSozio

In Mãe Luiza sind Schule und Kindergarten zeitweise ganz zu, zeitweise in sehr ausgedünntem Notbetrieb. Dort gibt es das Bildungsproblem, das in Deutschland an die Wand gemalt wird. Ohne die Umstände hier klein reden zu wollen, aber wir jammern in Deutschland schon auf sehr hohem Niveau. Während hier einige von Skandal und Bildungskatastrophe sprechen, wenn die Internetverbindung beim Video-Unterricht mal kurz zusammenbricht, die Arbeitsblätter zu spät ankommen oder der böse, doofe Lehrer nicht bereit oder fähig ist, die Kinder differenzierend per Video-Chat ganztägig zu bespaßen, ist es in einem Armenviertel kaum möglich zu den Schülern Kontakt zu halten. Dort ist die Schule tatsächlich ein Jahr so gut wie ausgefallen. Einige Jugendliche haben nun gar keine große Lust mehr auf Schule, die Zeit ohne Unterricht war zu lang. Die Kinder im letzten Kindergartenjahr haben die Buchstaben oft nicht gelernt, sie werden in den öffentlichen Schulen kaum mehr Anschluss finden, für die privaten haben sie das Geld nicht.

Die Bewohner des Altenheims werden mit Spielen bei Laune gehalten. © Espaço Solidário/CentroSozio

Das Altenheim ist nach wie vor ziemlich abgeschottet. Die Bewohner sind nun alle geimpft. Man versucht sie mit Spielen und intensiver Beschäftigung bei Laune zu halten. Es wird mehr miteinander gekocht, der Pfarrer wird per Beamer aus der Kirche zugeschaltet. Auch in einem brasilianischen Altenheim kann ein Senior noch den Umgang mit dem Tablet so weit erlernen, dass er mit seiner Familie Kontakt halten kann.

Die Lage im Viertel ist auch deshalb sehr prekär, weil viele Bewohner Mãe Luizas keine Arbeit mehr haben, das soziale Netz in Brasilien ist kaum als solches zu bezeichnen. Hier wird wieder buchstäblich gehungert.

Der Pfarrer wird aus der Kirche zugeschaltet. © Espaço Solidário/CentroSozio

Der Staat hat kein Interesse an den Armen. Weder an ihrer Schulbildung, noch an ihrer Absicherung auch nicht an ihrer Gesundheit. Bolsonaro leugnet und verharmlost von Anfang an das Problem Corona, er provoziert und verzögert die Impfkampagne. Das Gesundheitssystem ist ein weiteres Mal zusammengebrochen.

Es ist der Erzbischofs von Natal, Dom Jaime, der für die Impfkampagne im Nordosten das Wort ergreift. Es ist Ion de Andrade, der auch im Viertel Mãe Luiza als Kinderarzt tätig ist, der im Fernsehen zugeschaltet wird, um die nötigen epidemiologischen Maßnahmen zu erklären und zu propagieren. Es ist ein lokaler Fischverarbeiter wie „Produmar“, der in der Karwoche Brot und Fisch an die Bedürftigen im Viertel verteilt. Auch die Politiker der Bundesstaaten setzen sich teilweise ein, der Präsident ist unsichtbar oder kontraproduktiv. Was z.B. in Manaus passiert, ist ihm – mit Verlaub – scheißegal.

Brasilianische Menschenrechtler nehmen besonders im Zusammenhang mit Amazonien durchaus das Wort „Genozid“ in den Mund, denn es sterben die Indigenen und die Dunkelhäutigen (also die Armen) im Amazonas und in den Armenvierteln des Landes. Es profitieren die Weißen (also die Reichen). Es kann dem Rechtspopulisten und Zyniker Bolsonaro ja nur recht sein, wenn es ein paar hunderttausend Arme weniger gibt. Die kosten dann nichts mehr und stehen der Ausbeutung der Bodenschätze nicht mehr im Weg. Seine Devise „Wirtschaft vor Gesundheitsschutz“ nutzt nur denen, die auch vorher schon im Geld geschwommen sind. Die Armen haben ihre Jobs längst verloren. Hunderttausende Covid-Tote, Spaltung des Landes, Aushebeln des sozialen Netzes, ein murrendes Militär: Die Bilanz des Präsidenten Bolsonaro ist verheerend.
Laut Medienberichten erwägen einige Abgeordnete, bei der kommenden Präsidentenwahl im Jahr 2022 den sozialistischen Ex-Präsidenten Lula zu unterstützen. Er ist seit Anfang März zurück auf der politischen Bühne, nachdem ein Gericht die politisch angeschobenen Korruptionsurteile gegen ihn für ungültig erklärt hatte.
Sicher ist es nicht, dass damit Bolsonaros Macht in Gefahr ist, denn mit Lulas Wiederauftauchen stehen Bolsonaros Anhänger umso militanter hinter ihm.

Presse: Bericht über die Situationin ML, die Sternsingeraktion und die Explosion (siehe Bericht) im Penzberger Merkur

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