Von Stadien, Hausbesetzern und Kulturaustausch

Ministadion im Sand
Was da alles in den Sand gesetzt wird: Die Fußball-WM wirft ihre Schatten voraus. © Gerd Pfaff / pixelio.de

Das neue Stadion (für die WM) in Sao Paulo ist gigantisch. Die Baustelle auch. In Brasilien ist man geteilter Ansicht über die Sinnigkeit dieses Unternehmens. Ein “weißer Elefant” wird gebaut. Ein Stadion, das nie mehr genutzt werden wird, weil es viel zu groß ist. Ein Stadion, das so teuer ist, dass die Eintrittspreise wieder nur für die Wohlhabenden erschwinglich ist. Dennoch ist bei manchen Brasilianern der Stolz so groß, dass sie jeden Tag hierher kommen, um den Fortschritt zu fotografieren. Keine Frage – eine Studentin mit Bayern-Trikot kommt da gut an…

Hochhaus in Sao Paolo
Ein Hochhaus in São Paulo
© Carlosh / pixelio.de

Das war nur ein kurzer Abstecher aus der Armut. Unser Weg führt zu einem besetzten Haus in der Stadt. Ein ehemals ein öffentliches Gebäude, lange leer gestanden, heruntergekommen – sogar den Aufzug hat man entfernt und einen 5-stöckigen Schacht im Inneren ungesichert gelassen – dient 80 Familien zum Wohnen. Das Innere sieht aus, als sei es zum teil schon abgerissen oder stünde kurz davor. Menschenwürde? Hier leben ehemals Obdachlose. Wenigstens haben sie jetzt ein Dach über dem Kopf. Aber auch das ist der Stadtverwaltung nicht recht. Sie müssen raus. Wohin? Das weiß keiner, auch wenn feststeht, dass es bald sein wird. Aber auch das weiß keiner genau, wann.

Bild von Che Guevara
Che Guevara auf einem Bildermarkt © ami / pixelio.de

Mandela, der den Widerstand der Obdachlosen organisiert, trägt einen Button von Che Guevara. Begeistert erkennt er einen kleinen Button an der Tasche einer Studentin. Nach der Führung durch das Haus und einer Erklärung der politischen Situation der Obdachlosen verabschieden wir uns mit Tränen im Herzen. Als die Che Guevara-Studentin an der Reihe ist und Mandela ihren Button schenkt, nimmt er den seinen vom Hemd und schenkt ihn ihr. Wir sind alle fassungslos. Dieser Mann, der so viel ertragen muss für sein Anliegen, der nichts hat, bald nicht mehr ein Dach über dem Kopf, dieser Mann schenkt seinen Button. Eine Geste – eine starke Geste.

Am Weg zum Bus kommt das Kontrastprogramm: das Theater von São Paulo. Groß, schön, klassizistisch gebaut, Reichtum symbolisierend steht es im Widerspruch zu dem, was wir gerade erlebt haben. Niemand kann sich der Tragödie entziehen, die sich hier abspielt!

Wie gut, dass der Tag nicht so endet! Wir ziehen heute aus unserer Unterkunft aus. Bei Familien sollen wir die nächsten 3 Nächte verbringen. Wir fahren zur Gemeinde, die die Unterbringung organisiert hat. Hier treffen wir auch mit einer irischen Reisgruppe zusammen und sollen im Rahmen der Culture-Night einen bayerischen Beitrag leisten.  Das natürlich im Dirndl!

Bayerische Tracht auf brasilianisch
Tracht und Capoeira: Eine Mischung, die in Brasilien stets Verzückung hervorruft. © Gerhard / FrKr ML

Entsprechend werden wir empfangen! Dirndl in Brasilien, das ist wie kühles Bier in der Wüste – oder so ähnlich…

Mit Konfetti bestreut laufen wir in der Kirche ein, in der die Stühle beiseite geräumt wurden, um einen großen Raum zu haben. Die Brasis sind außer Rand und Band! So was hab ich noch nie erlebt! Das vorbereitete Buffet bewahrt uns vor dem Verhungern – Scherz! – viel Obst ist aufgetischt, weil die Gastgeber vom Obsthunger der Deutschen wissen. Der Abend vergeht schnell mit bayrischem Tanz, dem Fliegerlied und irischen Vorstellungen. Höhepunkt für uns allerdings die Capoeira-Vorstellung und Samba in der Kirche. Das schlackert das Trommelfell…

Obstbuffet
Obst darf bei keinem brasilianischen Essen fehlen. © Gerhard FrKr ML

Die Gastfamilien warten aber auch schon, ihre Gäste mit nach Hause zu nehmen. Die meisten Familien nehmen 2 Gäste auf, ich bin mit 4 Studentinnen in einer sehr sehr netten Familie untergebracht. Das Haus wird gerade renoviert, arm scheint die Familie nicht zu sein. Das erste Bier auf der Reise tut gut nach den vielen intensiven Eindrücken der ersten Tage – die erscheinen mir wie Wochen…
Nicht nur das Bier, sondern auch und vor allem die Herzlichkeit der  Menschen. Wir sitzen noch lange zusammen und reden und kreischen entzückt über dies und das…

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