Indios, Essen und Abschied von São Paulo

Früchtebuffet
Wie bei Muttern:
Ein etwas überdimensioniertes Lunch-Paket
© Anneliese / FrKr ML

Nach dem langen Abend ist unsere Mãe ((Gast-)Mama) überrascht über unser frühes Erscheinen in der Küche. Es gab Unstimmigkeiten in der Absprache unter den Brasis. Trotzdem essen wir nur einen Moment später unser Frühstück und werden auch mit Lanche versorgt. Weil wir heute für unser Mittagessen selbst sorgen sollen, glauben unsere Eltern, dass wir verhungern, wenn wir nicht Essen für eine ganze Kompanie mitnehmen. Widerspruch zwecklos!

Genauso dachten auch alle anderen Gasteltern und wir glauben schon, einen eigenen Verpflegungsbus zu brauchen, um die Mengen an Bananenkuchen, Baguette, Obst, Keks, Blätterteigzopf mit Hähnchenfüllung, Guavenkuchen, … zu transportieren.

Mit dem sicheren Wissen, auch heute nicht verhungern zu müssen bzw. daran zu arbeiten, dass uns keine mitgebrachte Hose mehr passt, machen wir uns auf den Weg. Der Bus fährt uns zum Memorial der lateinamerikanischen Geschichte. Auch hier wird uns wieder das Leid der Urbevölkerung vor Augen gestellt. 20.000 Stämme lebten einst in Brasilien. Eie Treppe war mit den Namen der Stämme beschrieben. Panneaus zeigten das Leben dieser Menschen vor der Ankunft der Eroberer – Natur wie man sich das Paradies vorstellt – aber auch die Zeit der Eroberung, die Versklavung, den Krieg. Ein modernes Kunstwerk scheint ein Mund zu sein, der die Welt frisst. Dies stellt aus Indio-Sicht den aktuellen Zustand Brasiliens dar. Zur jüngsten Vergangenheit auch eine Bronze-Skulptur, wie Brasilia gebaut wurde: Indios mussten die schwere Arbeit erledigen, eine Stadt aus dem Erdboden stampfen und fanden hier, in der von ihnen erbauten Stadt, keine Wohnmöglichkeit.

Bild vom Memorial da America Latina
Memorial da América Latina in São Paulo, Brasilien
© Ana Paula Hirama (Flickr; wikipedia)

Immer wieder Bilder von der Realität Brasiliens: schöne Natur, aber so schmerzlich ungleiche Behandlung. Der arme Nordosten, aus dem Menschen oft nach Sao Paulo gehen, um ein besseres Leben zu finden, dann aber wieder enttäuscht zurückkehren, weil ihr Traum geplatzt ist…

Ein Bau in diesem Museumskomplex ist der Kultur gewidmet. Traditionelle Gewänder, Geschichten und Gegenstände kann man bewundern, nicht nur aus Brasilien, aus ganz Lateinamerika. Musik, Kultur ist wichtig, um die Realität zu überstehen. Und in diese Kultur ist der afrikanische Ursprung deutlich übergegangen.

Repro eines Gemäldes aus der Kolonialzeit
Gemälde aus einer Ausstellung im Forte-Natal /RN)
© Gerd / FrKr ML

Im Gelände des Museums steht ein Denkmal, eine linke Hand, in deren Mitte ein roter Fluss zu entspringen scheint. Blut  in der Hand, die Lateinamerika darstellen soll. Oscar Niemeyer hat alle Baudenkmäler hier geschaffen, auch diese Skulptur. Eine Anklage an die Eroberer und die  Unterdrückung der indigenen Völker auch heute noch. Hat er daran auch gedacht, als Brasilia von den Indios gebaut werden musste?

Luftbild des Ibirapuera-Parks / SP
Der Ibirapuera-Park © Andreas Josko (wikipedia)

Im größten Stadt-Park der Welt machen wir Picknick mit unserem gigantischen Essensvorrat. Fast alles wird gegessen. Die Ruhe unter den riesigen Bäumen wird durch die einbrechende Kälte etwas verleidet. Glücklicherweise kann man aber das Afro-brasilianische Museum besuchen, das den afrikanischen Einfluss in Brasilien in den künstlerischen Blick nimmt.

Bei einsetzendem Regen steigen wir in den Bus, der uns zur städtischen Markthalle bringt. Obst aller Art, Fleisch, Fisch und schier unendlich viel mehr gibt es hier zu kaufen. Obstverkäufer verwöhnen die blonden Mädels aus Deutschland mit Obst-Kostproben und freuen sich sichtlich darüber.

Anderer Blick auf Sao Paulo – ein Einkaufszentrum. Die 90 Minuten reichen gar nicht, um alles gesehen zu haben…

Heute ist Abschiedsabend in der Familie – schon!

Es gibt Würstel mit Semmel, Torta Salgada (salzige Torte mit Hühnchen- oder Tunfischfüllung etc.) Cerveja (Bier) und Caipi(rinha). Nachbarn und Freunde sind gekommen, um uns zu sehen und zu verabschieden. Erst ist es sehr lustig mit Liedern – hauptsächlich auf brasilianisch – aber auch mal branca/preta. Dann die Abschiede. Immer wieder sagen sie, wie wichtig wir für ihr Leben sind, wie wichtig es ist, dass wir da sind. Wir sind total überwältigt. Beschenkt werden wir auch noch mit Havaianas (die National-Zehen-Sandale) und Brasilienutensilien. Heute fließen noch mehr Tränen wie gestern. Wir MÜSSEN wieder kommen.

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