In der Favela “Complexo do alemão”

In der Katechese der Deutschen mit abschließendem Gottesdienst geht es um die Liebe Gottes zu den Menschen. Wir sind gerufen, unser Herz zu öffnen, auch wenn wir dadurch verletzbar werden. Anders können wir nicht unserer Berufung nachkommen, nicht das aus uns machen, wozu wir fähig und bestimmt sind.

Luftbild Favela Rio
Die Favela Complexo do alemão
© Eduardo P (wikipedia)

Dies können wir gleich beim Besuch der Favela Complexo do Alemão unter Beweis stellen. Diese Favela war die gefährlichste in Rio. Es ist die Zusammenfassung mehrerer Favelas, in die die Feuerwehr sich nicht wagte, wenn Feuer ausbrach. Hier wurde die “Rote Brigade” gegründet, eine berüchtigte Drogenvereinigung. Vor 7 Jahre hat ein berühmter Jourmalist dokumentiert, was hier passiert. Daraufhin wurde er brutal ermordet. Dies konnte die Stadtverwaltung – weil es ein berühmter Journalist war, nicht stehen lassen. “Es muss was passieren!”. Die Polizei “säuberte” das Viertel von Drogendealern, sie erschoss, wen sie vors Gewehr bekam und inhaftierte andere. Wieder andere brachte sie aus der Stadt und siedelte sie zwischen Rio und Sao Paulo an. Manche Häuser versah die Stadtverwaltung mit einem neuen Anstrich und es wurden Kinderkrippen, Schulen, ein Gesundheitsposten, sowie Polizei eingerichtet. Heute geht eine Gondel – wie eine Bergbahn im Skizirkus (!!!) – in und (vor allem) über die Favela. Mit dieser Gondel fahren wir hinein und treffen dort auf Kinder von 4 bis 8 Jahren, denen sich schon die Tragödien ihres Lebens tief ins Gesicht eingegraben haben. „Wo bleibt die Menschenwürde?“, fragen wir uns, als wir auf ein Mädchen treffen, das wohl vor Hunger die Handtasche einer Mitreisenden ableckt.

Soldaten im Armenviertel Complexo do alemao
So sah es im Viertel um die Wahlen im Jahr 2008 aus… © Wilson Dias/ABr (wikipedia)

Christina, die uns durch die Favela führt erzählt eine traurige Geschichte: Als ihre Tochter 4 Jahre alt wurde, wollte sie ihren Geburtstagsfest feiern. Sie lud Freunde ein, die nicht in der Favela wohnten. Als das Fest beginnen sollte, erschien … niemand! In eine Favela kommt niemand, der dort nicht wohnt… – außer Touristen, die im Rahmen einer geführten Favela-Tour mit der Gondel hochfahren. Uns Deutschen kommt das wie Sensationsgier vor. Sich am Leid der anderen ergötzen? Das sehen die Brasilianer anders: Sie finden es gut, wenn Touristen kommen, die am Leben unter menschenunwürdigen Umständen Anteil nehmen, den Menschen Ansehen geben, ihr Leid beachten.

Führung durch die Favela
In der Favela: Amrei findet es ziemlich ungemütlich – nicht nur wegen des Regens © Giesela / FrKr ML

Paulo tut dies in besonderer Weise. Er ist Lehrer im Ruhestand und wohnt hier. Er baut an einer besseren Welt. Er hat für Kinder eine Möglichkeit geschaffen, dass sie nach der Schule betreut werden. 100 bis 150 Kinder sind während der Schulzeit da, in den Ferien noch mehr. Sonst wären sie allein zu Hause. Mit Tränen in den Augen sagt er:

 

“Das ist mein Kampf. Das Wenigste, was ich machen kann.”

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