Das
Jahr 2019 ist ein Festjahr in Penzberg. 100 Jahre sind wir Stadt. Das war
seinerzeit ein Meilenstein bei der Emanzipation aus dem Diktat des Bergwerks
und legte den Grundstein für das, was wir heute als Stadt sind. Allerdings ist
die Stadt eine ganz Andere – damals eine Arbeiterstadt mit 5000 Einwohnern,
heute ein Pharmastandort mit fast 18 000 Einwohnern.
Dies ist eine Geschichte, die auch unserer Freunde aus Brasilien immer wieder
beeindruckt. Es zeigt, dass Entwicklung – trotz großer Herausforderungen –
gelingen kann, und es zeigt, dass mulit-kulti und soziale Unterschiede nicht Chaos
und Konflikte heißen, sondern Zusammenhalt und Nutzung des größeren gemeinsamen
Potenzials bedeuten kann.
Aus Anlass des Stadtfestes freuten wir uns, Gäste aus Mãe Luiza begrüßen zu dürfen. Die Absicht war einerseits, ihnen durch den Besuch fachliche Impulse geben zu können, andererseits mit Hilfe ihrer Präsenz in Penzberg der Bevölkerung den Fortschritt der erfolgreichen Projekte in Mãe Luiza vorzustellen. Nicht zuletzt konnten so auch die Partnerschaft gestärkt und neue Anknüpfungspunkte und Impulse gesetzt werden. Neben dem touristischen Programm für unsere Gäste, war für die Penzberger die Slackline-Einlage von Cipó auf dem Stadtplatz wohl besonders beeindruckend, auch sonst erlebten wir mit unseren Gästen Einiges.
Ernst erzählt von den Schulbesuchen:
Es sind nur
noch wenige Wochen bis zum Ferienbeginn. Es herrscht Aufregung in den
Grundschulen in Penzberg in der Süd- und Birkenstraße und in Kochel. Die Kinder
und die jeweiligen Lehrkräfte finden sich in Turnhallen oder Pausenhöfen ein
und beäugen die fremdartig aussehenden Personen. Gisela stellt die Fremden vor,
knüpft an die Unterrichtsstunden an, in denen sie schon von Mãe Luiza erzählte.
Sie berichtet über das Schulsystem in Brasilien und über die Rolle der
Ergänzungsschule Casa Crescer. Dann wird ein Kreis gebildet, damit Cipó und
Fabiano, die zwei Capoeira-Lehrer im Team, genügend Platz haben, um zu zeigen, was sich
hinter dem Wort Capoeira verbirgt.
“Ta, ta, tam” – Mitklatschen ist angesagt. Cipó und Fabiano stehen sich
kampfbereit gegenüber und zeigen einige Grundfiguren dieses traditionellen
Kampftanzes. Ein Kampf ohne Körperkontakt. Ein Tanz mit Salto, Überschlag und
Schraube. Eine Begegnung die gegenseitigen Respekt abverlangt. Es ist eine
Darbietung die spielerisch, geschmeidig und leicht aussieht, und doch stellen
selbst einfache Elemente davon eine große Herausforderung dar, wie die
Schülerinnen und Schüler anschließend selbst beim Probieren erfahren.
Arme nach links, leicht nach vorne beugen, linken Fuß nach hinten, wieder zurück, dann umgekehrt und den Gegner beobachten. Anschließend schnell in die Hocke, mit einer Hand am Boden abstürzen, den Körper leicht zur Seite neigen und das Bein des Gegenübers fliegt über den Kopf. Den anderen ja nicht berühren. Handstand, Rad und eine Rolle nach rechts, und das Ganze von vorne. Oder umgekehrt? Egal – es macht Spaß und der Lärm steigert sich für die Beobachter ins Unerträgliche. Jedes Kind macht mit, so wie es die Übung verstanden hat. Cipó und Fabiano korrigieren ab und zu und alle freuen sich.
Gabi war beim Besuch in Steingaden und Neuschwanstein dabei
An einem Regentag fuhren wir mit den Freunden zur Wieskirche. Richtig heißt sie ja: Wallfahrtskirche zum gegeißelten Heiland auf der Wies. (Santuario para o Salvador flagelado no prado) Seit dem Tränenwunder von 1738 ist die Besucherzahl auf 1 Million jährlich angestiegen, außerdem gehört die Wieskirche zum Unesco-Welterbe. Unsere Freunde fanden alles ausgesprochen „lindo“. Der Brasilianer an sich liebt ja alles, was verschnörkelt und hart an der Grenze zum Kitsch ist.
Nach vielen Fotos und einem wunderbaren Picknick ging es weiter nach Neuschwanstein. Der Aufstieg zum Schloss wurde in strömendem Regen bewältigt. Mit Hilfe von Gummibärchen-Doping hat es aber jeder geschafft. Eine herrliche Aussicht belohnte jede Mühe. Dann war der Einlasstermin zur Besichtigung gekommen. Nach Kontrolle der Taschen und Aushändigung der Audioguides auf Portugiesisch verschwanden die Freunde im Inneren des Schlosses. Wir Begleiter standen unter Regenschirmen im Eckerl vor dem Ausgang.
Erfüllt von schönen Eindrücken fuhren wir in den nächsten Ort zum Abendessen. Mit viel Gelächter wurde die Speisekarte übersetzt und schließlich fand jeder was Leckeres. Wir genossen es, so herrlich zusammen zu sitzen und bedauerten König Ludwig, der immer alleine speisen und nicht mal einen Bediensteten bei sich haben wollte. Alles ned so einfach …!
Isa war mit auf dem Herzogstand
Der letzte ganze Tag der Reise steht an, das Wetter ist toll und wir machen uns mittags auf zur Herzogstandbahn. Für Padre Roberio ist es schon das dritte Mal und trotzdem ist die Aussicht genauso atemberaubend schön.
Nach dem kurzen Anstieg – obwohl 45 Minuten schon sehr anstrengend sein können – sind wir am Gipfelkreuz angelangt. Nach einer Stärkung mit Keksen und Obst, sind wir alle begeistert, wie weit man sehen kann.
Leonardo, der Leiter der Musikschule in Mãe Luiza, packt sein Saxophon aus und begeistert alle Anwesenden mit sanften Klängen. Er ist eins mit seinem Instrument – nur so scheint er „ganz“ zu sein. Fast wie im Traum sitzen wir am Rand des Herzogstands und lauschen der Musik.
Ein weiterer kurzer Anstieg zum Pavillon, hier weht der Wind recht heftig.
Wir schießen weitere Selfies und Gruppenfotos. Leider ist die Zeit schon vorbei und wir müssen zur Bergbahn zurück. Der Walchensee zeigt sich nochmal in ganzer Schönheit und wir fahren zurück nach Penzberg. So ein schöner Nachmittag auf dem Berg! … und so ein schöner Besuch. Wir hoffen, dass die Eindrücke unsere Gäste bei ihrer weiteren Arbeit in Brasilien unterstützen, dass die Penzberger wieder neu für die großartige Arbeit, die in Mãe Luiza geleistet wird, sensibilisiert sind und wir hoffen unserer Freunde wieder zu sehen. Saudades…
Bericht Penzberger Merkur zum bevorstehenden Besuch (192 kB)
Bericht Penzberger Merkur vom Infoabend (422 kB)
Bericht Rundschau vom Besuch in Bichl (272 kB)