Ein Spaziergang durch Mãe Luiza

Einen solchen Spaziergang sollte man nicht alleine und ohne Führung machen, bei Nacht schon gleich gar nicht, aber Charme hat das Viertel schon, trotz all seiner Probleme.
Bild eines Straßenzugs in Mãe LuizaDie Fläche von ML entspricht etwa der Penzberg-Steigenbergs, die Einwohnerzahl liegt bei etwa 14.000. In den letzten 5 Jahren ist die Einwohnerzahl um etwa 4.000 gesunken.
Das ist eigentlich insgesamt ein ganz gutes Zeichen, denn es ziehen zwar junge (Groß-)Familien weg, aber es ziehen auch Familien her, die haben allerdings dann nur noch zwei Kinder und wohnen auf der gleichen Fläche. Das heißt einmal, dass der Kreislauf von Großfamilie = Armut durchbrochen scheint und der Wohlstand insgesamt steigt.
Auch die Kriminalität geht insgesamt zurück. Man sollte sich allerdings nicht zu früh freuen, da die Gewalt im Viertel immer in Wellen kam, und vor allem die Morde im Drogenmilieu gehen nicht recht zurück.

Von den Drogen sieht man auf der Straße am Tag nicht viel, allerdings sind immer mal wieder Jugendliche zu sehen, die Klebstoff schnüffeln – einen sichereren Weg sich schnell und nachhaltig um sein Gehirn zu bringen gibt es wohl nicht. Auch Betrunkene gibt es genügend und abends ist es schon sehr beunruhigend, wenn einem ein mit Drogen zugeknallter Mensch mit leerem Blick und unklaren Absichten entgegen kommt.
Zum “nicht sehen” muss man auch noch sagen, dass es innerhalb des Viertels Straßenzüge gibt, wo einen auch die Einheimischen besser nicht hinführen.

Mãe Luiza liegt eingebettet in den beiden ersten Dünen am Atlantik und grenzt unmittelbar an ein Naturschutzgebiet – hier gibt es noch Reste des atlantischen Küstenwaldes („mata atlântica“), der bei der Ankunft der Portugiesen die komplette Küste bedeckte.

Auf der dem Meer zugewandten Seite grenzt ML an die Küstenstraße. Seit diese Straße durch die neue Brücke („Ponte Newton Navarro“) aufgewertet ist, droht von dort eine latente Gefahr: Immobilienspekulanten klotzen nämlich die gesamte Küste mit Hochhäusern zu und würden auch gerne ML überrollen. Dies wird zwar durch ein intellligentes Bodenrecht verhindert, man kann aber nie sicher sein, ob dieses Recht nicht wieder irgendwer aushebeln will – notfalls mit Hilfe von Korruption.

Bild der kleinen Gasse zum Meer
Viel ist nicht mehr übrig vom Zugang zum Meer…

In diesen Hochäusern gibt es Apartments mit bis zu 300 m², während durch eine Mauer abgetrennt 10 m weiter Großfamilien auf 25 m² sitzen. Dekadenter geht es wohl nicht mehr … aber auch das ist ein Teil der brasilianischen Wirklichkeit. Das Land ist im Durchschnitt nicht wirklich arm, nur dass das ganze Geld bei meist weißen Großgrundbesitzern liegt und 50 % der Menschen irgendwo an der untersten Armutsgrenze leben.

Die Menschen von ML haben nur noch zwei kleine Zugänge zum Meer, der Rest ist schon durch Hochhäuser versperrt.
Die Straßen des Viertels sind steil und meist mit Kopfsteinpflaster auf Sand belegt. Die Nebenwege sind nur zu Fuß zu erreichen. Durch die große Nähe der Menschen ergeben sich nicht nur Konflikte, es ergibt sich auch eine große Zusammengehörigkeit, viel Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit.
Auch wenn man als Tourist hier nicht besonders gut aufgehoben wäre, als Freund des Centro Sócio ist man auf jeden Fall sehr geachtet und auch schnell bekannt wie ein bunter Hund.

Die Häuser sind oft nur 20 m² groß, selten über 50 m². Die Dachstühle sind meist offen. Wenn nicht, dann sind die Häuser sehr intelligent durch verschiedene Luftschlitze belüftet. Eine low-tech Kühlung, die keinen Strom braucht. Glasfenster wären dem Wohnklima sehr hinderlich. Ein normales Fenster ist außen vergittert, dann kommt ein Fensterladen, dann nix mehr.
Die Fensterläden sind meist geschlossen, so dass es in den Häusern recht finster ist, auch deshalb spielt sich das Leben meist auf der Straße ab.

Bild eines Eselkarrens vor einem GeschäftDort spielt sich – wie schon erwähnt – auch ein anderes Problem ab: Seit die Müllmänner nicht mehr gut organisiert sind und nicht regelmäßig bezahlt werden, wird die ganze Stadt, und ML insbesondere,von einem Müllproblem heimgesucht. Es gibt überall Ecken, wo Müll rum liegt, der ein Geruchsproblem und längerfristig auch ein Rattenproblem mit sich bringt. – DieseSituation schien eigentlich schon beseitigt zu sein.

An der Hauptstraße fällt auf, dass es deutlich mehr Geschäfte gibt, als noch vor ein paar Jahren. Kleine Supermärkte, aber auch Drogerien, Nagelstudios, eine Zoohandlung, Friseure und kleine Kneipen.
Ein Zeichen, dass sich allmählich ein Mittelstand bildet und etabliert, und dass die Leute den Aufbruch in die Selbstständigkeit wagen.
Hoffentlich hält das Ganze an, denn im Moment boomt ganz Brasilien. Ob sich dies nach der Weltmeisterschaft und nach der Olympiade als nachhaltig erweist, muss sich erst noch zeigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.