Bei einem Besuch zum Nachmittagskaffee erzählt er aus seinem momentanen Leben, der Arbeit in Penzberg, von seinen Überzeugungen und der GeRecht-Stiftung für Mãe Luiza.
Irgendwo im Niemandsland zwischen Schongau und Landsberg, wo mein Navi allmählich ratlos wird, treffe ich mich mit Pfarrer Konrad Albrecht.
Hier befindet sich eine KZ-Gedenkstätte, weil die Nazis in der Nähe am Ende des Krieges eine KZ-Außenstelle betrieben. Ansonsten gibt es viele Felder und Wälder, der Lech ist nicht weit. Albrechts Mitarbeiterin, Frau Braunmüller, kommt gerade von einem Spaziergang zurück. Die beiden haben hier ein schönes Haus mit einem liebevoll gepflegten Garten. „Im Paradies“ nennt Albrecht den Standort augenzwinkernd, dabei ist er aber immer noch der mit beiden Beinen ganz irdisch im Leben stehende Pfarrer im Unruhestand geblieben. Er ist auch noch als Aushilfspfarrer in der Region tätig.
Es geht ihm gut, nur das Herz spinnt ein bisschen. „Drum ham de Kardiologen nochgschaugt, ob i überhaupt a Herz hob. Meine früheren Gemeinden ham ja gsogt, dass i so a guads Herz hätt, aber de Kardiologen, de glauben ja nix“, scherzt er. … und sein linkes Ohr tut seit einem Radl-Unfall seinen Dienst nicht mehr, was ihm Verständnisprobleme in größeren Gruppen bereitet; ihm, dem diverse konservative Gemeindemitglieder immer wieder bescheinigten, dass er auf dem linken Ohr zu gut höre. Der HNO-Professor meinte seinerzeit zu seinem Ohr: „Was tot ist, ist tot und Wunderheilung kann ich nicht.“ Abgesehen davon, dass dies Albrecht rein theologisch wurmte, meinte er dazu: „Wunderheilung muss gar nicht sein, eine ganz normale würde es auch schon tun.“
Albrecht war von 1982 bis 2000 in der Penzberger Pfarrei Steigenberg tätig und bezeichnet dies als die „wichtigste und intensivste Zeit“ seines Lebens. Viel hat er bewegt in Penzberg, aber auch schon vorher in Landsberg, Weilheim und Schongau und auch nachher in Apfeldorf und Inningen. Er war unkonventionell und modern, wie einige andere der theologischen „Kinder“ des II. vatikanischen Konzils, und hadert durchaus mit so einigen Entwicklungen in der katholischen Amtskirche. Wie sagte kürzlich sein ehemaliger Penzberger Kollege: „Früher waren wir Jungen die Progressiven, die mit manchen Altpfarrern haderten, heute sind die Jungpfarrer teilweise die Konservativeren.“
Albrecht ist überzeugt: Wir brauchen nicht den institutionalisierten „Seelsorger“, der von Zeit zu Zeit bei einer Messe für das Seelenheil der armen anwesenden Sünder opfert, sondern wir brauchen den „Menschensorger“ vor Ort, der bei den alltäglichen Schwierigkeiten mit ihnen aushält, Impulse gibt und ganz konkret Hilfe zur Selbsthilfe leistet und organisiert. „Was nicht persönlich ist, ist auch nicht christlich“, spitzt er zu und zitiert Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Diese Philosophie zieht sich auch durch seine gesamte pastorale Tätigkeit, wie ein roter Faden. So gründete er in Penzberg eine Lernhilfe, die Behindertenkontaktgruppe „Spaßvögel“ sowie die „Freunde Sabinos“ und den „Eine-Welt-Laden“, aus denen sich unser Partnerschaftsverein entwickelte.
Was die Unterstützung für Mãe Luiza betrifft, so ist unter anderem mit seinen Impulsen ein Netzwerk entstanden, das dauerhaft Veränderungen möglich macht.
Damit ist er für die Partnerschaft Mãe Luiza und für die Pfarrei(-engemeinschaft) Christkönig jemand, dessen Lebenswerk bis heute wirkt. Dass er in den Köpfen vieler Pfarreiangehöriger nicht mehr so präsent ist, mag an der Vereinigung der beiden Penzberger Pfarreien und dem fast schon 20-jährigen Weggang liegen, aber auch daran, dass er seine „Kinder“ stets in die Selbstständigkeit entließ. „Es freut mich natürlich, wenn ich sehe, dass das noch läuft und sich weiter entwickelt. Wenn ich bei Jubiläen dann auch mitfeiern darf, freut mich das ebenso“, sagt er.
Das letzte Projekt für Brasilien, das er noch zusammen mit Pater Sabino verwirklichte, sollte ein „Ewiges“ sein. „Eines Tages stand eine Frau aus der Gemeinde vor mir mit Geld in Plastiktüten.“, erzählt Albrecht. Bei genauerer Betrachtung waren dies 50 000 €, die nach dem Willen der Spenderin Pater Sabino unterstützen sollten, und das war noch gar nicht alles.
Sabino hätte gleich Verwendung für das Geld gehabt. Da überlegte Albrecht aber, dass bei dieser Geldmenge Mãe Luiza mit einer Stiftung dauerhaft mehr geholfen wäre. Letztlich konnte man dann von dem Geld den Bau der kleinen Turnhalle bei der Ergänzungsschule „Casa Crescer“ und andere Projekte unterstützen und zugleich die Stiftung einrichten, die bald darauf schon den ersten Gewinn abwarf, welcher direkt nach Brasilien floss. Die jetzt so genannte „GeRecht“-Stiftung (zusammengesetzt aus den Namen der beiden Priester Sabino GEntili und Konrad AlbRECHT“) ist eine Zustiftung (also nicht selbstständig) der „Helder-Camara-Stiftung“ unter der Verwaltung von Misereor. Solche Stiftungen sind für Unternehmen interessant. Aber auch Privatpersonen, die wollen, dass größere Geldbeträge dauerhaft für einen guten Zweck „arbeiten“, sind hier richtig. Natürlich kann man auch kleinere Beträge spenden, die dann nicht ins Stiftungskapital eingehen, sondern direkt in Mãe Luiza landen, aber dafür gibt es in Penzberg ja schon unseren Verein „Partnerschaft Mãe Luiza“. „Die Stiftung war nie als Konkurrenz zum Verein gedacht, sondern als „ewige“ Ergänzung.“, betont Albrecht immer wieder.
Im Beirat der Stiftung finden sich Mitglieder der meisten Brasilien-Unterstützergruppen, die Albrecht im Laufe seines Priesterlebens initiiert hat. Das hat den Vorteil, dass die Gruppen in Verbindung bleiben können. Denn der Grundgedanke jeder pastoralen Arbeit ist nach Albrecht ja, dass man nach außen offen bleibt und sich vernetzt. Die Partnerschaft mit einer Favela in Brasilien soll ein Anliegen aller Christen in der Pfarrei sein, nicht ein Austausch von Verein zu Verein. „In Mãe Luiza gibt es ja auch keinen „Brasilienkreis“ oder „Penzberg-Kreis““, bemerkt er, „sondern es stehen die Menschen der Gemeinde dahinter.“ Es geht um das Bewusstsein des gemeinsamen Christ-Seins und um einen Glauben, der im Alltag hilft.
… Wo wir wieder beim pastoralen roten Faden angelangt sind, und wo der unterhaltsame Nachmittag allmählich sein Ende nimmt.
Ich bedanke mich recht herzlich und mein Navi findet anschließend auch den Weg zurück in das Gedrängel des Alltags.